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Aus diesem Punkt
Simon Hehemann

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Vom 08. bis zum 28. September verwandelt der Hamburger Künstler Simon Hehemann die Galerie Feinkunst Krüger, mittels einer Rauminstallation, wieder einmal in einen komplett anderen Ort. Hehemann und Krüger arbeiten seit 10 Jahren zusammen, aber immer noch weiß der Galerist nie ganz genau was der Künstler plant und was letztendlich dabei heraus kommt. Hehemann wird die Ausstellung den kompletten August aufbauen, und dann wird man neben dem Gesamtkunstwerk auch seine wunderbaren, poetischen, ruhigen und zugleich prall gefüllten Bilder zu sehen bekommen. Die hat der Galerist allerdings schon gesehen und freut sich unbändig auf die Ausstellung.

 

Aus diesem Punkt
Ein Text von Alexander Rischer

In einem Gedicht Richard Crashaws fordert der Dichter auf, wahres Maß zu erkennen und unverzüglich zu handeln: Vor dem Spiegel in dieses eitel ins Außen aufgeblasene, hohle Nichts zu stechen, auf dass es sich mit Knalleffekt auf einen Punkt hin, ebenso ein Nichts, zusammenzuschrumpfe.
Doch Nichts mal Nichts ist ungleich Nichts, und so verdankt sich dieser Vermählung aus dem Nichts heraus nicht der Schluss-, sondern vielmehr der Punkt als ein Neuanfang; sich vom Schein nicht mehr blenden lassen, keine leeren Bilder mehr sinnlos zurückwerfen, sondern sich auf den Weg zur anderen, zur dunklen Seite des Spiegels zu machen – so wie einst Orphée, eingetaucht ins Quecksilberbad.
Der Stich, die Explosion, der Knalleffekt: Ausreichend energetischer Anschub – a kick in the ass – es auch quecksilberschnell durchs Nadelöhr dorthin zu schaffen; Anstoß, sich dort ankommend, mit Bedacht in Bewegung zu halten und auf eine Wanderschaft in die Gefilde der Eigentlichkeiten zu begeben, ins Biotop der verborgenen Beziehungen und deren fokussiert-feinen und zugleich weitgespannten Geflechte: über wie unter mir und in mir – und doch auch eine Befreiung. Und um auf diesem Trip dann der alten Sehnsucht der Seele, aus sich hinauszuwachsen, sich auszudehnen, ihre Flügel im Wind der Mondnacht still auszubreiten, nachfolgen zu können – in the world of dreams, I’ve chosen my part.

Doch explosiver Anschub bringt, im Zweitakt, auch das Simson-Moped auf die Spur, mit dem der Künstler, gewappnet in einer Rüstung aus weichgekochten Spaghetti, einst nach Arkadien gereist sein soll. Simson heißt Von der Sonne; Fahrtenschreiber und Black Box für einen solchen Törn ist der Mopedkoffer, topcase, eine eklipsische und absolute Camera Obscura: das Tinten-Pünktchen, der gesetzte Fleck, hat sich vor das Zirkel-Stüpfchen, das gestochene Loch, geschoben wie der Mond vor die Sonne, zwei einander sich aufhebende Pole derselben Idee, und in einem Dreckpartikelbeben belichtet diese hermetische Krypta-Kammer Bilder ganz aus sich selbst heraus, mit dem Licht einer inneren schwarzen Sonne.
Diese Seismographien des Grind lassen Photographien als Erschütterungsbilder verstehen, Zeichnungen in der Zeit, die sich den Wirbeln verdanken – und nicht den Vektoren.
Das Silberkorn hat also dem Schmutzkorn seinen Platz im Beet des Bildes überlassen – und dieses gedeiht, dehnt sich aus. Und nimmt es mit einer unendlich viel größeren alten Idee des Punktes auf:
Als Erster, geschlossen in sein Nichts, verbarg er sich in seinem All,
Beginn seiner selbst, ohne Anfang, ohne End.

 

In seiner sechsten Solo-Show/Einzelausstellung bei Feinkunst Krüger wird Simon Hehemann seine neuen Arbeiten in einer komplexen Rauminstallation arrangieren und zeigen, deren Nukleus drei großformatige Bilder sein werden, kleinere Arbeiten werden größere umkreisen wie deren Monde und am Boden Trabantenstädte ausbilden, ein differenziertes, vernetzendes Gefüge, das nichts ausspart und dennoch Raum gibt.

Was diese Werke womöglich eint, und was sie in Simon Hehemanns poetischem System in Kontakt hält ohne sie fix zu verstetigen, ist variantenreiche Bezugnahme auf die Ideengeschichte der Prozesse des Werdens, innerem wie äußerem, insofern es nicht um erkennbare Formbestimmtheit und das Erreichen eines von Anbeginn – und im Anbeginn – angelegten Zieles geht, im Sinne von fertig werden, sondern um den dynamisierten Raum, der voller Risiken ist, wo Tragendes aus dem freien Fall generiert wird.
Ich bin, aber ich habe mich nicht. . .
. . . kriege ich mich denn wieder ein, aus meinen Außer-mir-sein, hole ich mich ein – und will ich das denn, mein eigenes Ziel sein und zugleich mein eigener Schatten, mich haben, wieder-haben? Die Wege zwischen Kern und Haut, Punkt und Kreis, sind ungerade und ungesichert, neblig ist es hinter mir und neblig ist es vor mir, doch nur dort unterwegs sieht und findet man die noch – und wieder – fremden Schätze, birgt sie mit den Erinnerungswerkzeugen oder noch ganz ungekannten tools und holt sie ins Licht des klaren Moments: Geometrische Fossilien, Radiergummiwürstchen wie Stalaktiten, Zeichnungskugeln wie Alba-Trüffel, Geröll als Gewölle, Mohnkapseln als Mondklöppel, suprematistische Losung und subtilen Schrott von morgen. Es bildet sich ein Inventar der Inventionen und Funde in Leere und Fülle.
Hält man auf dieser er-schöpferischen Wanderschaft inne und blickt nach oben, man schaut in das Gewölbe einer ollen Badewanne, emailliertes Blechbaldachin aus deren Punkt-Loch sich Licht verströmt, hereinkommt, dem Wasser gleich.
Und auch das Gewölbe des Fußes birgt und zeigt einen Punkt, an seiner höchsten Stelle, wie die Kuppel ihren Schlußstein; der Fuß des Wanderers, der in der Seelenlandschaft seine Kreise zieht, seine Bahnen, beide Füße in der Luft, doch ohne jede Eile – der Punkt unterm Fuß, Feder- und Nadelstich, ein Tattoo: wandering star, der um sein Gegenüber, seinen kosmischen Zwilling am Himmelsgewölbe weiß und diesem gleicht wie ein Ei dem anderen Ei – und zwischen ihnen ausgespannt wirkt ein imaginierter Faden, ein endeloses Dosentelefon.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Ausstellung wird unterstützt durch die Kulturbehörde Hamburg.